In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung (ZOE) stelle ich die Vordenkerin Joan Woodward vor – schon mal gehört?

Die Zeitschrift OrganisationsEntwicklung (www.zoe-online.org) ist seit Jahrzehnten eine der führenden Publikationen zu Change Management im deutschsprachigen Raum. Seit mehr als zwanzig Jahren erscheint regelmäßig die Rubrik ‚Klassiker der Organisationsforschung‘, in der die Fragen beantwortet werden: Welche Bedeutung haben Klassiker für unser Verständnis von Organisation und von Veränderung? Und: Welche Antworten können uns ‚alte‘ Theorien heute geben? Also grundsätzliche Fragen rund um die Beratung zum Change Management.

Ich habe für die Aprilausgabe Joan Woodward entdeckt und dort vorgestellt. Lesen Sie hier meine Eindrücke.

Ein Zufallsfund

Ein Kunde wollte es genau wissen, woher denn unsere Empfehlung für eine Prozessverbesserung kam. Er wollte nicht nur einen Nachweis in Form einer Berechnung, die hatten wir selbstverständlich schon längst geliefert. Nein, er wollte eine mehr oder weniger theoretische Herleitung, wieso bei seiner Art der Produktion die vorgeschlagene Form der Fertigungsabläufe „die beste“ sei. Bei der Recherche dafür stieß ich auf eine Grafik, in der die vergangenen 100 Jahre des Prozessmanagements mit ihren wichtigsten Ansätzen und Vertretern dargestellt war. Nahezu alles Bekannte – bis auf: Joan Woodward.

Wer war Joan Woodward?

Die knappe Antwort: Joan Woodward hat die Kontingenztheorie maßgeblich entwickelt. Nach dieser Theorie gibt es nicht die eine, die beste Art, Abläufe zu organisieren. Vielmehr hängt der Erfolg eines Unternehmens davon ab, wie gut die Prozesse auf die verschiedenen Arten der Fertigung ausgerichtet sind. Kurz: Die Struktur einer Organisation hängt von der jeweiligen Art ihres Produzierens ab. Heute ein alter Hut? Nein, denn auch heute noch ist viel von einer(!) ‚Best Practice‘, von den(!) KPIs, von bestimmten(!) Change-Phasen die Rede. Doch Joan Woodward hat schon 1958 mit solchem ‚one-size-fits-all‘-Denken und -Handeln aufgeräumt. Und das Besondere: Sie hat ihre Forschungsergebnisse empirisch belegt. Damit machte sie sich vor über sechzig Jahren wenig Freunde, beherrschte doch damals das Scientific Management eines Frederic Taylor mit einem ‚One-Best-Way‘-Ansatz die Diskussion. Joan Woodward hielt dagegen und hatte es nun wirklich nicht leicht: Sie veröffentlichte, ohne eine Professur zu haben. Sie ging streng empirisch vor, statt pompöse Theorien zu entwickeln. Sie war eine Frau, in der Ingenieursdomäne des renommierten Imperial College in London – in den 1950er/60er Jahren also das nahezu komplette Minderheitenprogramm.

Dabei war sie eine Teamplayerin. Die Veröffentlichung Industrial Organization: Behaviour and Control basiert auf den Forschungsarbeiten an ihrem Institut. Mittlerweile hatte sie eine Professur, doch sie erscheint nicht als Autorin, sondern als Herausgeberin. Sie wird von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als zurückhaltend und ermutigend und zugleich klar und präzise beschrieben. Und als „eine sehr erfolgreiche Frau in zwei sehr männlichen Welten: der akademischen Welt und der Industrie. Mir fällt keine andere Frau ihrer Generation ein, die so erfolgreich zwischen diesen beiden Welten hin- und herpendelte.“ (Griffith, S. 24)

Keine ‚Best Practice‘

Mit Joan Woodward erweist sich der Wunsch nach allgemeinen Regeln für Organisation als unerfüllbar. Doch der Wunsch nach einfachen, verlässlichen und immer anwendbaren Formeln ist auch heute nicht verschwunden – wir erleben ihn in unserer Beratungspraxis nicht selten. Von daher ist Joan Woodward eine wichtige Größe, auf die wir uns beziehen können: Welches gute nächste Schritte sind, hängt von der jeweiligen Situation und Konstellation ab. Das hat nichts mit Beliebigkeit zu tun, sondern ist Ausdruck eines professionellen und differenzierten Hinschauens – gepaart mit dem Know-How, wie ein nächster Schritt strukturiert angegangen werden kann. Wenn man so will: Unser Tool ‚Good Approach‘, mit dem das Vorgehen so geplant werden kann, dass es der Komplexität der Veränderungssituation entspricht, beruht sehr mittelbar auf Joan Woodward.

Thanks, Joan.

Frank Wippermann

Und hier der Link zur Leseprobe des Beitrags in der Zeitschrift für OrganisationsEntwicklung 02/24 (© Handelsblatt Media Group)

Griffiths, D. (2010). Joan Woodward: A Personal Memory. In: Phillips, N., Sewell, G., Griffiths, D. (Hg.): Technology and Organization. Essays in Honour of Joan Woodward. Emerald Group Publishing, S. 23 – 24.