Weg von der Personalbeurteilung hin zur Verhaltenseinschätzung – wozu das gut ist und welche ersten Schritte Sie gehen sollten, hören Sie in unserer neuen Podcastfolge.

Eigentlich müsste die Überschrift lauten „Alle Jahre wieder“. Das passt gerade sogar ganz gut in die Jahreszeit. Denn in den meisten Unternehmen ist es wieder soweit: Jahresgespräche müssen geführt werden oder sagen wir besser „Die Personalbeurteilung“ steht an. Schon das Wort an sich hat einen merkwürdigen Beigeschmack, finden Sie nicht auch? Und leider zeigt sich in der Praxis nach wie vor häufig folgende Situation: Zwei Personen sitzen sich gegenüber und sind per System – ich möchte fast sagen – dazu verdonnert, miteinander ins Gespräch zu kommen. Von Freiwilligkeit hören wir in unserer Beratungspraxis in diesem Zusammenhang nur ganz selten. Aber der Reihe nach.

Vom Wesen der Personalbeurteilung

Die Begründung für die Durchführung der jährlichen Beurteilungen lautet größtenteils: „Die Personalabteilung will die Bögen bis spätestens Ende März haben.“ Und im ungünstigen Fall läuft es dann auch so, wie der Name es schon sagt: Die Führungskraft fällt ihr Urteil über die Mitarbeitenden. Diese können zwar widersprechen und dies dokumentieren, in der Konsequenz bleiben solche formellen Schritte aber meist wirkungslos. Die Bögen, seien sie nun in Papier ausgefüllt oder digital hinterlegt, verschwinden in der Versenkung. Oder sie werden erst nach einem Jahr wieder angeschaut, ohne dass die Beteiligten sich zwischenzeitlich um die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen bemüht haben. Das Fazit in den Köpfen lautet also “Bringt ja sowieso nix.” – schade.

Aber warum ist das so? Unsere Erfahrung zeigt, dass es eben nicht nur um die Gesprächsführungskompetenz der Führungskräfte geht, sondern dass deren Arbeitsgrundlage oftmals nicht mehr zeitgemäß ist. Selbst wenn sie es wollten, per Systematik ist es fast unmöglich mit den vorgeschriebenen Unterlagen einen guten Dialog zu führen.

Das Problem mit Beurteilungs-Skalen und Kriterien

Kennen Sie solche Spaltenköpfe auf den Bögen der Personalbeurteilung? Dies ist nur ein kleiner Auszug aus der Vielzahl an Varianten, die wir in Unternehmen vorfinden.

Hinzu kommen die Beurteilungs-Kriterien. Klassische Beispiele sind die Begriffe Flexibilität, Belastbarkeit, Selbstständigkeit, Kreativität, Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft, etc. Diese stehen in Fachkreisen seit Jahren deutlich in der Kritik, nachzulesen u. a. im Buch Personal-Management (Berthel/Becker, Schäffer-Poeschel-Verlag). Denn hier wird nicht das beobachtbare konkrete Verhalten besprochen, sondern über Persönlichkeits- bzw. Eigenschaftsmerkmale von Menschen ge(vor)urteilt.

Ergebnis: Frust am Ende der Gespräche

  • Bei den Führungskräften, weil es ihnen kaum gelingt mit der vorgeschriebenen Systematik zu einem zielführenden und motivierenden Gesprächsergebnis zu kommen.
  • Bei den Mitarbeitenden bleibt ein fader Nachgeschmack. Denn es ist u.a. unklar, woran er oder sie konkret arbeiten soll und sich weiterentwickeln kann.

Warum dennoch mit einem solchen – sorry – veralteten Instrument gearbeitet wird? Mein Kollege Frank Wippermann gibt darauf in seinem Buch Future Skills für Führung und Organisation eine simple Antwort: Weil sich alle daran gewöhnt haben und im festen Glauben sind, dass sich daran sowieso nichts ändern lässt.

Von der Personalbeurteilung zur Verhaltenseinschätzung

Nun stellt sich die Frage, wie solche Führungsinstrumente verändert werden müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen, mit dem nicht nur die Beteiligten weiterkommen, sondern vor allem auch das Unternehmen. Ein paar Vorschläge dazu finden Sie in unserer neuen Podcastfolge und hier:

Und darüber hinaus lohnt es sich, über folgende Aspekte nachzudenken:

  • Ein verändertes Mindset: Es geht nicht mehr um einseitige Beurteilung, sondern um gegenseitige Einschätzungen. Voraussetzung dafür sind: Eine Vertrauenskultur sowie Mitarbeitende und Führungskräfte, die befähigt wurden, professionell mit Feedback umzugehen.
  • Punkte, Smileys, Noten fallen weg zugunsten von Beispielen, die die Beteiligten auch im Nachgang noch nachvollziehen können. Ob, was und wieviel dokumentiert wird, liegt im Ermessen der Beteiligten.
  • Persönlichkeitsmerkmale werden zunächst in konkretes Verhalten übersetzt. So wird aus “Teamfähigkeit” schlichtweg “Verhalten im Team”. Und das zeigt sich beispielsweise, indem ein Teammitglied das andere unterstützt, informiert, akzeptiert, einbezieht, etc.
  • Nicht jedes Verhalten ist an jedem Arbeitsplatz gleich zu verstehen. „Geht immer verständnisvoll auf Wünsche anderer ein“ ist im Service sehr erwünscht, in der Revision aber wohl eher nicht. Zu Beginn der Gespräche findet also sinnvollerweise zunächst ein Austausch darüber statt, welche Anforderungen für die Aufgabenerledigung relevant waren und ob dies auch zukünftig so sein soll.
  • Ob die Beteiligten Maßnahmen vereinbaren oder nicht, entscheiden sie ebenfalls eigenverantwortlich.
  • … und vieles mehr.

Der Soziologe Giuseppe Bonazzi beschreibt die dahinter liegende Haltung in seinem Buch „Geschichte des organisatorischen Denkens“ (S. 241) so: “Gefragt sind hier wettbewerbsorientierte, dynamische, verantwortungsbewusste Individuen, die Eigeninitiative zeigen, voller Ideen sind, jede Versteinerung althergebrachter Verfahren ablehnen und das Neue lieben.”

Führungskompetenzen trainieren

Der Weg weg von der klassischen Variante der Personalbeurteilung benötigt ein verändertes Mindset. Das Personalmanagement muss neue Systematiken zur Verfügung stellen, um zur Verhaltenseinschätzung zu kommen. Führungskompetenzen trainieren ist notwendig, um in den Gesprächen u. a. Perspektiven aufzeigen, Orientierung und Unterstützung geben zu können und – so simpel es klingt – gute Gespräche mit den Mitarbeitenden zu führen. Letztere müssen befähigt werden, die neue ‘Gangart’ mitgehen zu können. Das beginnt bei der Vorbereitung einer Verhaltenseinschätzung, geht weiter mit dem Gespräch selbst und schließt auch die eigenverantwortliche Umsetzung der Vereinbarungen mit ein.

Dass wir Sie gerne dabei unterstützen, wissen Sie ja 😉 Und nun wünsche ich Ihnen weitere hilfreiche Erkenntnisse aus meinem Gespräch mit Frank Wippermann. Er hat übrigens zum Thema “Personalbeurteilung und die Gauß’sche Normalverteilungskurve” noch ein paar deutliche Hinweise…

Herzliche Grüße

Anneli Gabriel

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