Welche Rolle spielt Mikropolitik in Organisationen und wie lässt sich mikropolitische Kompetenz entwickeln? Dr. Anna Mucha gibt Antworten – hören Sie rein.

In unserer vergangenen Podcastfolge ging es um Führungsrollen, gestaltende Führung und um Macht im Führungsalltag. Mit Dr. Anna Mucha, Dozentin und Modulverantwortliche an der Universität Hamburg, spreche ich in der aktuellen Folge über eine weitere Perspektive rund um Führung: Mikropolitik. Anna Mucha forscht, berät und lehrt seit 15 Jahren zu den Themen Personal und Organisation.

Über ein vom BMBF gefördertes Forschungsprojekt „Mikropolitik und Aufstiegskompetenz von Frauen“ am Lehrstuhl von Prof. Dr. Daniela Rastetter und eine Promotionsstelle an der Uni Hamburg, konnte sie ihre im Studium entstandene Neugier auf das Thema Mikropolitik perfekt einbringen. Seither hat sie diese Perspektive ständig erweitert und ihre Wahrnehmung weiter geschärft – bei sich selbst und vor allem im Handeln anderer. In unserem Gespräch teilt sie ihre Erfahrungen im strategischen Umgang mit Mikropolitik und bei mir kommen zwei Dinge sehr deutlich an:

  1. Meine Gesprächspartnerin wirkt fasziniert vom Thema Mikropolitik und
  2. Mikropolitik begegnet einem wirklich überall!

Was ist Mikropolitik?

In aller Kürze beschreibt Anna Mucha es so: Mikropolitik ist der Aufbau und Einsatz von Macht und steht als Sammelbegriff für unterschiedlichste Mikrotechniken, die von Mitgliedern in Organisationen angewandt werden, um Interessen durchzusetzen. Zum Beispiel durch das Bilden von Koalitionen und Netzwerken, durch Selbstdarstellung oder auch den gezielten Einsatz rationaler Argumente.

Mikropolitik kann man nicht sehen, sie ist keine Beobachtungs- sondern eine Deutungskategorie und hängt vom jeweiligen Ziel ab. Sie findet nie im luftleeren Raum, sondern immer im Kontext von Organisationsstrukturen und -kultur statt. Mikropolitisch zu handeln bedeutet, sich bewusst oder unbewusst mit Fragen zu beschäftigen wie „Was darf ich hier? Was zählt hier? Womit blamiere ich mich? Welches Selbstverständnis haben die anderen? Wen möchte ich beeinflussen?“ usw.

In vielen Fällen haben Menschen in Organisationen einen kritischen Blick auf das Thema und weisen es tendenziell von sich, im Sinne von „So was mache ich nicht.“ – meist in der Annahme Mikropolitik sei etwas Destruktives. Anna Mucha empfiehlt jedoch, Bewertungen rauszunehmen und lieber eine konzeptionale Perspektive einzunehmen. Dies öffnet den Blick für Akteurinnen und Akteure in Organisationen: Wie sie interagieren, ihre Interessen vertreten, Einfluss zu nehmen versuchen, ihre Ressourcen ausweiten wollen und um ihre Identität ringen. Im Grunde also Verhaltensweisen, die wir alle nutzen. Wörtlich sagt Anna Mucha: „Alle machen es auch, aber eben nicht nur.“

Bedeutung von Mikropolitik in Führung und Veränderungsprozessen

Führungskräften empfiehlt sie, in regelmäßigen Abständen zu reflektieren,

  1. welche Machtquellen sie bevorzugt einsetzen. Beruht ihr Einfluss überwiegend auf Statusmacht bzw. welche mikropolitischen Elemente sind Teil ihres Führungsstils? Dies wird je nach Feldkultur sehr unterschiedlich sein. So ist der deutliche Einsatz formaler Macht im sozialen Bereich nicht erwünscht. Dennoch nehmen die Führungskräfte Einfluss und kommen zum Ziel. Damit das gelingt, werden also mikropolitische Techniken eingesetzt.
  2. wie sie das mikropolitische Klima im Team einschätzen bzw. dafür die Wahrnehmung zu schärfen. Wie ringen Teammitglieder um Handlungsspielräume, Identitäten und Ressourcen? Wie präsent bin ich als Führungskraft? Eröffne ich Partizipationsräume? Zu wenig Führung führt es zu viel Mikropolitik, die dann auch ins Negative kippen kann. Wenn Führungskräfte keine Entscheidungen fällen, nutzen andere Teammitglieder das entstehende Führungsvakuum und üben Einfluss aus. Mögliche Folge: Es kommt zu Hauen und Stechen im Team.
  3. wie sie Veränderungsprozesse gestalten. Denn hier kommen Interessen auf den Plan, Machtressourcen werden frei und neu gefüllt, Strukturen ändern sich, lösen sich auf, werden neu zugeschnitten. Entsprechend positionieren sich die Akteurinnen und Akteure. Zu (bösen) Überraschungen kommt es, wenn Führungskräfte den mikropolitischen Aushandlungsprozessen im Change nicht ausreichend Aufmerksamkeit widmen.

Mikropolitische Kompetenz entwickeln – aber wie?

Der Blick auf die Grafik zeigt: Es ist möglich, mikropolitische Kompetenz zu entwickeln und das eingangs bereits erwähnte Forschungsprojekt bestätigt dies.

4 Kompetenzfelder zur Entwicklung mikropolitischer Kompetenz

Mikropolitische Kompetenz entwickeln, Grafik: Dr. Anna Mucha

  • Fach- und Methodenkompetenz aufbauen heißt in diesem Zusammenhang: Üben, um Strategien und Taktiken aus der mikropolitischen Perspektive betrachten zu können.
  • Soziale Kompetenz berücksichtigt besonders die Kultur der Organisation und heißt in diesem Feld: Wie kann ich so auftreten und agieren, dass es in die Kultur passt und ich nicht ausgeschlossen werde.
  • Die Arbeit an der Selbstkompetenz ist zentral: Wie kann ich es in mein Selbstkonzept integrieren, mikropolitisch zu agieren. Mit welcher inneren Haltung stelle ich mich auf? Kann und will ich meine Eigeninteressen formulieren? Bin ich bereit, für meine Ziele einzustehen und sie konsequent zu verfolgen? Kann ich Macht etwas Positives abgewinnen und mag ich Einfluss ausüben?

Fazit: Die mikropolitische Perspektive ist zwar nur eine Perspektive auf eine Organisation, aber es ist ein deutlicher Mehrwert, sich damit näher zu beschäftigen. Im Hinblick darauf, dass Machtlosigkeit und Ohnmacht das Gegenteil von Macht sind und auch nicht erstrebenswert scheinen, empfiehlt Anna Mucha, neutral mit dem Thema Mikropolitik umzugehen und sich neugierig auszuprobieren. Um positive Kulturveränderungen zu erreichen und wirksam zu werden, ist der Einsatz von Macht wichtig: „Ohne Macht geht vieles nämlich nicht. Warum nicht selbst mächtig sein und Einfluss nehmen, für Themen, die mir wichtig sind?“

Literaturtipps finden Sie unten. Danke an Dr. Anna Mucha für dieses anregende Gespräch. Und wenn Sie Ihre Führungskompetenzen ausbauen möchten, melden Sie sich gerne bei uns.

Herzliche Grüße

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Literaturtipps:

Mucha, A. 2016. Gewinnen ohne Ass und Trumpf? – Plädoyer für eine strategische Perspektive auf die Situation von Ingenieurinnen im technischen Berufsfeld. Positionen. Beiträge zur Beratung in der Arbeitswelt, Heft 1/2016, 1-8.

Neuberger, O. 2006. Mikropolitik und Moral in Organisationen. Herausforderung der Ordnung. UTB Verlag

Bild: flow consulting