Es geht um die Suche nach engagierten, verantwortungsbewussten Nachfolgerinnen und Nachfolgern, u. a. für die Bereiche Logistik, IT, Facility-Management, Personaleinsatzplanung, Fuhrpark-Management, Event-Management und Öffentlichkeitsarbeit.

Der Workshop, den ich zum Thema Nachfolgeplanung im Vorstand moderiere, findet aber nicht etwa in einem Großkonzern statt, auch wenn die genannten Bereiche es durchaus vermuten lassen. Nein – ich bin im Einsatz für die 64 Tafeln in Rheinland-Pfalz und Saarland.

Die Tafel Deutschland e. V. engagiert sich bundesweit gegen Lebensmittelverschwendung und beteiligt sich daran, dass Menschen in Not nicht übersehen und vergessen werden. Über die Jahre haben sich die Rahmenbedingungen in den Tafeln geändert. Für eine Ehrenamtsbewegung wie die Tafeln heißt es daher, sich von alten Modellen zu verabschieden und u. a. darüber nachzudenken, wie die Nachfolge für ehrenamtliche Vorstandsfunktionen gesichert werden kann. Der Workshop soll inhaltliche Impulse setzen und den Austausch von Meinungen und Ideen anregen.

Ich stehe also vor über 60 Verantwortlichen der Tafel. Sie bringen ihre Erfahrungen aus unterschiedlichsten Berufsleben mit in ihr Ehrenamt ein. Viele waren in Geschäftsführungen, als Managerinnen oder Vorstände tätig und das in vielen unterschiedlichen Branchen, Industrie, Handel, Banken. Schnell spüre ich, dass alle mit dem Herz voll bei der Sache sind, aber hier und da eine gesunde Portion Skepsis gegenüber der Beraterbranche dabei ist. Ich vermute, dass viele von ihnen in ihrem Berufsleben schon einige Berater haben kommen und auch wieder gehen sehen.

Schon bei der Vorbereitung auf den Workshop war mir bewusst, dass ich mit einer Haltung von „ich weiß genau wie das alles geht “ mit Sicherheit sofort Minuspunkte kassiere. Bei der vorgeschalteten Mitgliederversammlung bestätigt sich: Ich habe es mit absoluten Vollprofis ihres jeweiligen Fachs zu tun.

Ein paar Eckpunkte des Workshops

Das Dreieck der Organisationsentwicklung nutze ich als roten Faden. Daran mache ich deutlich, mit welchen Fragen sich Führungskräfte – in Non-Profit- genau wie in Profit-Organisationen – auseinander setzen und Antworten parat haben sollten. Wobei ich betone, dass ich die Herausforderungen an Führung im Ehrenamt mangels disziplinarischer Weisungsbefugnis als wirklich anspruchsvoll erlebe. Hinzu kommen die anders gelagerten Motive und Ansprüche der Akteure in Non-Profit-Organisationen. Die entstehenden Widersprüchlichkeiten auszuhalten ist eine wesentliche Kompetenz. Erstes Nicken und zustimmende Bemerkungen folgen.

Wenn Hierarchie nicht funktioniert

Welche innere Haltung als Führungskraft ist angemessen, um mit diesen oftmals widersprüchlichen Anforderungen und ohne Weisungsbefugnis klar zu kommen? Hierzu gibt das Modell der lateralen Führung hilfreiche Hinweise. Für den Workshop habe ich einige dieser Merkmale der eher hierarchischen Haltung modellhaft gegenüber gestellt:

Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass es in der Führung niemals nur einen richtigen Weg geben kann. Selbstverständlich kann ich situativ begründet auch als Führungskraft im Ehrenamt in bestimmten Situationen klare Ansagen machen. Wenn allerdings ausschließlich auf dieses Führungsinstrument zurückgegriffen wird, entsteht meist Widerstand und die persönliche Akzeptanz wird auf Dauer leiden.

Was hat das mit Nachfolgeplanung zu tun?

Um attraktiver für potentielle Nachfolge-Kandidatinnen und Kandidaten zu werden, tun auch Non-Profit-Organisationen gut daran, sich mit neuen Führungsmodellen auseinander zu setzen. Denn der generelle Trend ist, dass Mitarbeitende – ob im Ehrenamt oder als Hauptamtliche – zunehmend mehr „empowerment“ erwarten. Sie möchten mitgestalten dürfen und für ihren Beitrag geschätzt werden. Sie fordern Orientierung, wo sie sinnvoll tätig werden können und möchten sich nicht nur als Handlanger oder Lückenbüßer fühlen. Dann sind sie häufig auch eher bereit, schrittweise mehr Verantwortung mit zu tragen.

„Manchen Führungskräften fällt das Loslassen und das Abgeben von Aufgaben und Verantwortung aber oftmals schwer… oder, um es mit Karl Valentin auszudrücken: „Mögen hätt’ ich schon gewollt, aber Dürfen hab’ ich mich nicht getraut.“ Überall sehe ich Lachen und eindeutige Zustimmung.

In der folgenden Gruppenarbeit werden Fragen zur Vereins- und Führungskultur diskutiert und dokumentiert. Die Stimmung im Raum ist durchweg positiv. Dann ist Mittagspause und viele nutzen die Gelegenheit, die als Galerie ausgestellten Flipcharts zu studieren.

Wen suchen wir überhaupt wofür?

Wenn es um die Zukunft von Vereinen geht, spielen neben Strategie und Kultur auch strukturelle Klärungen eine bedeutende Rolle, u. a. die konkrete Aufgabenverteilung. Was genau tue ich eigentlich in meiner ehrenamtlichen Führungsposition? Dazu arbeiten die Gruppen nach dem Mittagessen weiter. Sie diskutieren und formulieren auf Basis eines kurzen Leitfadens konkrete Aufgabenprofile für mögliche Vorstandsbereiche. Die Ergebnisse zeigen deutliche Parallelen zu denen in Wirtschaftsunternehmen. Mein Respekt vor Leistung und Kompetenz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer steigt einmal mehr. Mein Eindruck: Ihnen war vielfach gar nicht klar, was genau sie alles tun.

Ich freue mich, dass die Gruppe einerseits stolz auf ihre Ergebnisse und andererseits erleichtert ist. Erleichtert, weil sie nun sehr konkrete Anregungen mitnehmen, wie sie die Suche nach potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten für den Vereinsvorstand angehen können.

Dieser Auftrag war übrigens eine pro bono Aktivität der flow consulting. Den Kommentar der Verantwortlichen der Tafel finden Sie hier.

Anneli Gabriel

Foto: pixabay