Wie beeinflussen Geheimnisse und Geheimhaltung das Arbeitsleben und die Arbeitsbeziehungen? Hören Sie die aktuelle Podcastfolge mit Prof. Dr. Jana Costas.

Geheimnisse und Geheimhaltung spielen eine bedeutende Rolle im Arbeitsleben und in den Arbeitsbeziehungen. Sie wirken oft als unsichtbare Kraft, prägen so unsere tägliche Arbeit und die Art und Weise, wie wir in Organisationen interagieren und führen. In der aktuellen Podcastfolge mit Prof. Dr. Jana Costas, die an der Europa-Universität Viadrina die Professur für Personal, Arbeit und Management innehat, tauchen wir in diese Thematik ein.

Prof. Dr. Costas war im Frühjahr 2024 Gastreferentin bei einer flow-Veranstaltung und bot dort spannende Einblicke in ihre Forschung. Ihre Erkenntnisse sind so faszinierend, dass sie perfekt für unseren Podcast geeignet sind – und für die durch Geheimhaltung geprägte Vorweihnachtszeit, finde ich 😉.

Ein „geheimnisvolles“ Buch

Im Vorwort ihres Buches „Secrecy at Work. The Hidden Architecture of Organizational Life“, das sie gemeinsam mit Christopher Grey verfasst hat, gibt Jana Costas einen ersten Eindruck davon, worum es in ihrer Forschung geht:

„Geheimniskrämerei ist in Organisationen weit verbreitet und in unser Arbeitsleben eingewoben. Doch bisher hatten wir ein ziemlich begrenztes Verständnis für diese mächtige organisatorische Kraft. Geheimhaltung ist ein Teil der Arbeit, und Geheimnisse zu bewahren ist eine Form der Arbeit. Aber Geheimhaltung schafft auch eine soziale Ordnung – eine verborgene Architektur innerhalb unserer Organisationen. (…) Anhand von anschaulichen Beispielen aus der Wissenschaft, aus aktuellen Ereignissen und aus fiktiven Werken präsentiert dieser Rahmen eine kühne Neukonzeption des Organisationslebens.“

Der Weg zur Erforschung von Geheimnissen

Wie kam Jana Costas zu diesem Thema? Ihre Antwort ist denkbar pragmatisch:

  1. Eigene Erfahrungen: Als Mitglied verschiedener Organisationen entwickelte sie die Neugier, zu erforschen, wie Geheimnisse den Arbeitsalltag und die Beziehungen am Arbeitsplatz beeinflussen.
  2. Empirische Forschung: Durch ihre Forschung in verschiedenen Organisationen stellte sie schnell fest, dass Geheimnisse oft eine zentrale Rolle spielen und den Arbeitsalltag prägen.

Drei Formen der Geheimhaltung

Prof. Dr. Costas betont in unserem Gespräch, dass es wichtig ist, drei Formen der Geheimhaltung klar voneinander zu unterscheiden:

  1. Formelle Geheimhaltung: Diese bezieht sich auf Geschäfts- und Staatsgeheimnisse, die durch Gesetze und Vorschriften geschützt sind.
  2. Informelle Geheimhaltung: Hierbei handelt es sich um Geheimnisse, die auf Vertrauen und Netzwerken basieren.
  3. Öffentliche oder offene Geheimhaltung: Dies sind Geheimnisse, die zwar bekannt sind, aber nicht offen diskutiert werden.

Die Macht der Geheimnisse

Was ist die eigentliche Kraft hinter Geheimnissen und Geheimhaltung? Jana Costas spricht schließlich nicht ohne Grund von einer „powerful organizational force“ und erläutert drei Logiken, die jeweils eine besondere Macht entfalten können:

  • Abtrennung (secretus):
    Dies führt zur Bildung von Cliquen oder Hierarchien innerhalb der Organisation.
  • Geheimnisvolles (arcanum):
    Die Verschlossenheit steigert den Wunsch nach Enthüllung.
  • Mysteriöses (Mysterium):
    Dies bewahrt einen Status und ein Gefühl der Exklusivität.

Geheimnisse haben eine enorme Wirkung in und auf Organisationen. Sie bestimmen, wer dazugehört und wer außen vor bleibt – sowohl innerhalb der Organisation als auch an ihren Grenzen. Die Wirkmächtigkeit von Geheimhaltung kann so weit gehen, dass Mitglieder einer Organisation Geheimhaltung stärker forcieren, als es eigentlich notwendig wäre. Es geht dann weniger darum, wertvolles Wissen zu schützen, sondern vielmehr um die Schaffung von Abgrenzung, Status und Exklusivität durch die Geheimhaltung selbst.

Grafik zu selbstverstärkender Dynamik von Geheimhaltung in Organisationen, Prof. Dr. Jana Costas

Quelle: Prof. Dr. Jana Costas, 2024

Die Rolle der Geheimhaltung für Führungskräfte

Geheimnisse als Machtbasis können auch Misstrauen erzeugen und Enthüllungsbestrebungen fördern. Besonders problematisch sind sogenannte „dark secrets“, die enorme Belastungen verursachen können – zwischen Personen und auch für das Individuum. Dennoch: Geheimhaltung kann Führungskräften helfen, Kontrolle zu bewahren und einen sicheren Raum für Verhandlungen zu schaffen. Eine Führungskraft sollte sich daher, so Jana Costas, sehr wohl um die Zugehörigkeit zu Cliquen oder Netzwerken der Organisation bemühen – um eingeweiht zu sein, um Zusammenhänge besser zu verstehen, um von Entscheidungen nicht überrascht zu werden.

Der Nutzen der Geheimhaltung

Im Laufe des Gesprächs wird deutlich, dass es Jana Costas nicht darum geht, Geheimnisse per se als gut oder schlecht einzustufen. Sie betrachtet das Phänomen aus wissenschaftlicher Sicht und nicht von vornherein normativ. Trotz aller vielleicht eher dunkel-mysteriös wirkenden Geschichten zeigt die Forschung auch, dass das Wissen um ein gemeinsames Geheimnis die Netzwerkbildung und den Wissensaustausch fördern kann. Im geschützten Raum, jenseits der üblichen Hierarchien, wird Kreativität gefördert und Scheitern ist erlaubt. Geheimhaltung hat hier eine Schutzfunktion.

Fazit: Ein zwiespältiges Phänomen

„Geheimnisse und Geheimhaltung“ ist ein vielschichtiges Thema, das differenziert betrachtet werden muss. Dabei ist es wichtig, zwischen den unterschiedlichen Arten von Geheimnissen und ihren jeweiligen Dynamiken zu unterscheiden: den formalen und rechtlich bindenden sowie den informalen Geheimnissen. Während die Enthüllung formaler Geheimnisse zu Sanktionen und gesetzlichen Strafen führen kann, kann die Missachtung informaler Geheimhaltung soziale Ausgrenzung nach sich ziehen.

Insgesamt zeigt die Forschung von Prof. Dr. Jana Costas, dass Geheimnisse eine verborgene, aber mächtige Kraft in Organisationen darstellen. Sie beeinflussen Arbeitsbeziehungen, Hierarchien, Führung und die Dynamik innerhalb von Teams. Durch das Verständnis dieser Kraft können wir lernen, bewusster und verantwortungsvoller mit Geheimnissen umzugehen.

Was kein Geheimnis ist: Wir coachen, sind Sparringpartner und führen Hintergrundberatungen durch, wenn es in Organisationen schwierig wird. Melden Sie sich einfach bei uns.

Anneli Gabriel

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Secrecy at Work: The Hidden Architecture of Organizational life. Stanford, CA: Stanford University Press.